Glass in der Öffentlichkeit: Googles größter Fehler?

Die Suche nach Google Glass

Die Datenbrille Google Glass, das aktuell populärste Produkt aus dem Bereich der Wearables, polarisiert. Die einen sind von den Möglichkeiten dieser Datenbrille fasziniert, die anderen fürchten die negativen Auswirkungen auf die Privatsphäre, der schleswig-holsteinische Datenschützer Thilo Weichert nennt das Gerät gar eine Waffe*.

Im Mittelpunkt der Kritik steht die Kamera-Funktion, mit der man unbemerkt Fotos und Filme erstellen und so die Persönlichkeitsrechte der Abgebildeten verletzen kann. Eine Filmaufnahme startet man mit einem Sprachbefehl („Ok glass, start recording“), ein Foto lässt sich mit einem Augenblinzeln auslösen; die Funktionsweise (und die Missbrauchsmöglichkeiten) sind sehr schön in einem Beitrag im ARD Magazin Kontraste erklärt.

Die Empörung deutscher Datenschützer wird bei so einem Thema niemanden überraschen, auch im Google Hauptquartier in Mountain View wird man Kritik aus dieser Ecke erwartet haben. Das aber auch in den USA die ersten Nutzer der Google Glass als ‚Glassholes‘ tituliert werden, zeigt, dass auch in Nordamerika bei dem Umgang mit privaten Daten ein Umdenken stattfindet. Mat Honan trug als Teilnehmer des ‚Explorer-Programms‘ die Datenbrille im Langzeitversuch, seine Erfahrungen hat er auf wired.com veröffentlicht:

Glass is socially awkward. Again and again, I made people very uncomfortable. That made me very uncomfortable.

People get angry at Glass. They get angry at you for wearing Glass. They talk about you openly. It inspires the most aggressive of passive aggression. (…) But nobody apologizes in real life. They just call you an asshole.

Auch Google muss bemerkt haben, dass da etwas schief läuft und hat Anstandsregeln für die Benutzung der Google Glass veröffentlicht. Spätestens an dem Punkt muss den Verantwortlichen klar geworden sein, dass man mit dem Produkt ein Problem hat. Es ist einfach so: Nicht alles, was man technisch machen kann, sollte man auch tun. Einige Ideen sollten lieber in der Büchse bleiben. Und damit meine ich speziell die Idee mit der Kamera, der Rest der Datenbrille kann durchaus Sinn machen.

Auch der oben zitierte Mat Honan fand schon mit dem Vorserien-Modell mit nur wenigen Apps eine Reihe hilfreicher Verwendungen, Navigation beim Radfahren oder sorgfältig ausgewählte Nachrichten zum Beispiel, Google Now hat ihm besonders gefallen. Der wesentliche Vorteil war aber, dass er weniger auf sein Smartphone und mehr auf seine Gesprächspartner geschaut hat. Die Datenbrille macht den modernen Menschen wieder presenter. Insgesamt ist der Bericht bei Wired sehr interessant und differenziert geschrieben.

Kleiner Zeitsprung: Anfang der 90er Jahre waren Mobiltelefone groß und teuer, die wenigen Besitzer wurden von der Allgemeinheit belächelt. Und es gab nichts peinlicheres, als in der Öffentlichkeit zu telefonieren. Drei, vier Jahre später hatte sich die Idee, ortsunabhängig telefonieren zu können, durchgesetzt. Jeder wollte ein Handy haben. Die Telefone wurden kleiner, schicker, die Tarife bezahlbarer. Im Umgang mit dem mobilen Telefonieren haben sich Anstandsregeln durchgesetzt, an die sich viele Menschen halten. Wer auch sonst kein Benehmen hat, hat es natürlich auch nicht beim mobil Telefonieren.

Ich glaube, genau so wird auch die Entwicklung mit den Datenbrillen verlaufen. In großer Geschwindigkeit werden neue Modelle mit besserem Design und günstigeren Preisen auf den Markt kommen. Und es werden mehr Apps mit echtem Nutzen verfügbar sein, die wiederum die Nachfrage bei der breiten Masse ankurbeln.

Google (oder Samsung, Motorola, HTC, …) könnten diese Entwicklung vielleicht beschleunigen, wenn sie auf die Kamera verzichten würden. Die Linse und der Bildsensor können nicht beliebig verkleinert werden, das verhindern die Gesetze der Physik. Die Qualität der Bilder kann bei der Größe nur mittelmäßig sein, man sehe nur die Kameras in Smartphones, wirklich gut sind nur eine Handvoll. Und der Strombedarf wird, spätestens beim Filmen, den Nutzen der Google Glas stark reduzieren, Robert Scoble berichtet von 45 Minuten Laufzeit bei extremer Nutzung. Damit ist die Idee des Live-Streamen von Ereignissen für die nächsten Jahre komplett unrealistisch.

Was liegt also näher, als die Kamera wegzulassen? Mit diesem Schritt wäre die Datenbrille sofort günstiger, kleiner, leichter und der Akku würde länger durchhalten. Das Beste: sofort wären die Bedenken der Datenschützer und besorgten Mitmenschen entkräftet. Bis dahin ist vielleicht ein kleiner Aufkleber auf der Linse die Lösung, der den kritischen Zeitgenossen signalisiert: Ich mache keine Bilder mit der Brille.

Damit wäre ein Problem  von Google Glass in der öffentlichen Wahrnehmung gelöst, bleibt noch, das Image des Super Nerd Gadget loszuwerden, das gerade durch die Medien geistert und zu TV-Spots wie diesem führt.

* Das zeigt zumindest den professionellen Umgang von Herrn Weichert mit den Medien, mit dieser Aussage wird er wohl noch öfter zitiert werden.

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