Das Fire Phone von Amazon: Eye Tracking für Jedermann?

Ein Smartphone mit Inhalten von Amazon

Ist das Fire Phone der neueste Geniestreich von Amazon? Für Jeff Bezos ganz sicher.

Das Smartphone kommt mit einem 3d-Effekt Namens ‚Dynamic Perspective‘, der mit Hilfe von 4 Kameras permanent die Augenposition des Users relativ zum Bildschirm ermittelt (sehr gut im Film dargestellt bei heise.de).

Der Effekt sah in der Präsentation gut aus, ist aber auch nicht das Feature, auf das ich zwingend gewartet habe. Als Realist (oder Bedenkenträger) gehe ich mal davon aus, dass der Akku deutlich schneller leer ist, wenn ständig vier Kameras aktiv sind und ein Grafikprozessor Bildinhalte 60mal pro Sekunde neu errechnet – auch für den Lock Screen oder die Kartenanwendung. Da nehme ich doch lieber eine 2D-Karte und freue mich, wenn der Akku den ganzen Tag durchhält, wenn ich einen Städtetripp in der Fremde mache.

Ist dieser ‚Dynamic Perstective‘-Effekt jetzt wirklich so toll, dass man dafür vier Jahre Entwicklung investieren muss? Ist der Kundennutzen, außer bei Spielen, die noch neu entwickelt werden müssen, so groß? Ich glaube eher, dass die sich verschiebenden Bildinhalte des Fire Phone nur ein trojanisches Pferd sind. Das ist bunt und witzig und soll möglichst viele Kunden zu Kauf des Fire Phone bringen, das iPhone und die Galaxys können das nicht.

Was steckt dahinter? Das Eye Tracking ist eine bekannte Technologie aus der Usability-Forschung: in einem Labor wird die Augenposition des Users verfolgt, während er z. B. eine Website verwendet. Aus der Blickposition während einer Aktivität wie z. B. einer Bestellung kann die Schwachpunkte des Screen Designs ermitteln und so die Website optimieren. Merke: in einem Labor mit freiwilligen Probanden, die wissen, dass sie beobachtet werden.

Wenn man die Entwicklung von Amazon und die heute schon beängstigende Verknüpfung von unseren Kaufdaten bei Amazon betrachtet – und das Patent zur Vorausschauenden Lieferung im Hinterkopf hat – ergibt ein so faszinierendes wie erschrendes Szenario: Man bestellt ein beliebiges Produkt mit dem Fire Phone. Wie bei Amazon üblich, gibt es noch ein paar Empfehlungen und Alternativ-Produkte. Der Blick des Users bleibt eine Zehntelsekunde an einem der Vorschläge hängen, das wird von den Kameras registriert. Und schon wird eine weitere Präferenz in unserem verborgenen Profil bei Amazon gespeichert, in der Kategorie ‚geheime Wünsche‘. Und ab morgen sehen wir dieses Produkt dann öfter in den Kaufempfehlungen. Komm schon, Du willst es haben, ich weiß es …

Ein millionenfaches Eye Tracking, täglich, bei allen besuchten digitalen Inhalten, nicht nur bei Amazon.com: das muss der ultimative Traum für Jeff Bezos sein. Egal, auf welches Kleid man bei einem Fashion-Magazin gestarrt hat oder welche Bildergalerie man sich bei theline.com angesehen hat, Amazon präsentiert sofort die passenden Angebote. Davon kann die NSA noch eine Menge lernen.

Ich begebe mich in der Zwischenzeit auf die Suche nach einem konzernfreien Smartphone, in dem weder Amazon, noch Google oder Apple (ach ja, auch nicht Microsoft) die heimliche Kontrolle über meinem digitalen Lebenswandel übernehmen.

Ich melde mich, wenn ich es gefunden habe.