Amazon: zu groß, um noch nett zu sein?

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Lange Zeit hat Amazon in den Augen der Kunden alles richtig gemacht, Service und Preise waren gut, das riesige Sortiment machte den Marktplatz zur rundum sorglos-Lösung für den Online-Einkauf. Amazon war der Blueprint für eine erfolgreiche E-Commerce-Strategie.

Aber das tadellose Bild bekommt Risse. Streiks wegen schlechter Bezahlung, der mögliche Versand noch nicht bestellter Ware oder die fragwürdigen Features des FirePhone lassen ein mulmiges Gefühl aufkommen. Die Meldungen, dass Amazon die Preisverhandlungen mit Verlagen und Filmstudios eskalieren lässt, zeigen deutlich, dass wir den Laden haben zu groß werden lassen. Hier wird offensichtlich die monopolartige Stellung ausgenutzt, Jeff Bezos und sein Team verlieren die Bodenhaftung. Schauen wir uns das einmal genauer an.

Die Arbeitsbedingungen bei großen Versendern in Deutschland scheinen oftmals schlecht zu sein, wie auch die Reportagen über Zalando zeigen. Das Amazon in seinen Logistik-Zentren, ganz den amerikanischen Denkstrukturen verhaftet, keine Tarifverträge hat und auch nach mehr als einem Jahr der Streikkampagne von Verdi nicht einlenken will, ist sicher auch kein Einzelfall in der Branche. Aber wenn Jeff Bezos in den USA zum miesesten Chef der Welt gekürt wird, dann zeigt das deutlich, das Amazon ein Problem mit der Behandlung seiner Mitarbeiter hat.

Aber auch als Kunde kann man anfangen, sich vor Amazon zu gruseln: Amazon hat ein Patent der ‚Vorausschauenden Belieferung‘ (anticipatory shipping) zugesprochen bekommen. Im wesentlichen geht es darum, die Lieferwege zum Kunden zu verkürzen. Mit statistischen Methoden werden stark nachgefragte Produkte ermittelt, die schon in Versandzentren transportiert werden, in deren Nähe Kunden wohnen, die voraussichtlich in Kürze diese Produkte bestellen werden. Tatsächlich gar nicht so überraschend in der bunten, datengetriebenen Welt des E-Commerce. Aber gerade hier sollten wir aufmerken: dieses Patent ist nur ein Indiz dafür, dass wir über unsere Bestellungen, Retouren und Wunschzettel viel zu viel über uns preis geben. Und wenn wir alles bei einem Händler bestellen, landet all dieses Wissen auch in einer Hand. Muss ausgerechnet ein Unternehmen in den USA alles über unsere Kaufgewohnheiten wissen?

Nach Mitarbeitern und Kunden sind es die Lieferanten, die die Macht von Amazon zu spüren bekommen. Sowohl in den USA wie auch in Deutschland übt der E-Commerce-Riese bei Preisverhandlungen Druck auf Verlage aus, auch Filmstudios wie Time Warner bekommen die Marktmacht zu spüren. Bei den Büchern der betroffenen Verlage wird eine längere Lieferzeit angegeben und es werden Bücher anderer Verlage als Alternative vorgeschlagen. Für die Verlage eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera: Wenn Amazon den Verkauf  bestimmter Bücher bremst, verliert man Geld, wenn man die Preisnachlässe der Einkaufsabteilung akzeptiert, verliert man auch Geld. Das so Druck auf dem Großverlag Hachette, der unter anderem die Harry-Potter-Bücher im Programm hat, ausgeübt wird, lässt ahnen, wie weniger gut aufgestellte Lieferanten bei Amazon in die Zange genommen werden.

Bleibt noch der neueste Geniestreich, das ‚Fire Phone‘ genannte Smartphone, mit dem Jeff Bezos Apple und Samsung Marktanteile abnehmen möchte. Wie in meinem Beitrag ‚Das Fire Phone: Eye Tracking für Jedermann‚ beschrieben, sehe den 3D-Effekt ‚Dynamic Perstective‘ eher als ein trojanisches Pferd an, um mehr Kundendaten zu sammeln. Und das mit einem Smartphone, dass wir immer dabei haben und mit dem wir alles tun. Damit ist Amazon so viel näher an unseren Lebens- und Kaufgewohnheiten als mit den Kindle Fire-Tablets, die meist auf dem Sofa liegen bleiben, wenn wir das Haus verlassen. So wird das Profil, das Amazon von uns anlegt, komplett und die Möglichkeiten, zusätzliche Umsätze zu generieren, wachsen dramatisch.

Nun sind wir nicht machtlos, denn wir haben bei jedem Mausklick die Entscheidung, welche Seite im Netz wir nutzen wollen. Für fast alles, was Amazon verkauft, gibt es gute Alternativen:

  • Bücher, auch eBooks, kann man hervorragend bei Buch.de bestellen
  • für Mode gibt es dutzende gute Shops (nicht unbedingt Zalando …)
  • Technik kann man bei Cyberport oder Notebooksbilliger.de kaufen.

Das nur ein paar Beispiele für gute Shops, und für verlässliche Unternehmen aus Deutschland. Vielleicht sollten wir uns etwas mehr Gedanken machen, was passiert, wenn wir mit der Maus auf ‚Bestellen‘ geklickt haben. Es ist nicht immer alles gut, wenn der Postbote das Paket gebracht hat und wir zufrieden sind mit unserm Kauf.