Bentgate: Ein paar Gedanken zum Smartphone-Design

Gestern am Service-Counter:
Mitarbeiter: „Oha, das ist ja ganz schön verbogen. Was haben Sie den damit gemacht?“
Kunde: „Ich habe es benutzt.“
Mitarbeiter: “ Tja, dafür sind unsere Geräte nicht designed worden.“
Dieser Dialog ist rein fiktiv, aber im Kern trifft er ein bestehendes Problem: Unsere Smartphones werden für die Keynotes und Werbefilme gestaltet, nicht für die Anforderungen im harten Alltag. Je teurer, desto schöner. Fast möchte man sagen: Nur gucken, nicht anfassen.

So auch bei Apple in diesen Tagen: das iPhone 6 Plus mit dem großen Display verbiegt sich scheinbar von allein in der Hosentasche, auf jeden Fall unter dem Druck von zwei Daumen vor laufender Kamera.

Ob das jetzt realistisch ist oder Apple recht hat mit der Aussage, dass iPhone 6 verbiegt ‚extrem selten‘, will ich hier nicht versuchen, aufzulösen.

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Folgen eines Sturzes: kaum zu sehen im Polycarbonat-Case, beim iPhone 6 hätte ein Treffer an der Stelle katastrophale Folgen.

Mir geht es um die grundsätzliche Ausrichtung des Designs. Das Smartphone ist offensichtlich ein empfindliches Gerät, zu allererst das Display. Jeder kennt den Anblick einer gesplitterten Frontscheibe, wenn nicht aus eigener Erfahrung, dann aus dem Bekannten- und Kollegenkreis. Der Trend zu immer größeren Displays bei gleichzeitig immer kleineren Rahmen macht die Sache nicht besser. Bei den meisten Smartphones ist das Glas aber immerhin noch vom Gehäuse umschlossen. Beim iPhone 6 läuft das Frontglas jetzt aber auch noch ‚um die Ecke‘ bis zu Seite des Gerätes (schön im Film zu sehen), da schützt bei einem Sturz kein Rahmen mehr die schwächste Stelle des teuren Telefons.

Das nächste Problem ist der Trend zu immer flacheren Gehäusen. Macht es im Alltag wirklich einen Unterschied, ob ein Smartphone 7,6 oder 8,4 mm dick ist? Ebenso ist es komplett egal, ob das Teil 133 (iPhone 6) oder 172 Gramm (iPhone 6 Plus) wiegt, ich kann beide mit einer Hand tragen. Diese Daten lassen sich vielleicht bei der Keynote ganz toll präsentieren, über die das Produkt sagen sie aber eigentlich nichts aus. In der Konstruktion führen dagegen 10 oder 20% mehr Material zu deutlich höheren Stabilitätswerten.

Was macht der Kunde im wahren Leben jetzt mit diesen fragilen, auf Schönheit gezüchteten Geräten? Er steckt sie in eine smartphone-coverSchutzhülle, damit das Display nicht splittert und die Rückseite nicht zerkratzt. Damit ist die Funktion sicher gestellt, auch wenn sich oft die Knöpfe an der Seite nicht mehr so gut erreichen lassen in der Aussparung des Bumpers. Aber das Design, das auf der Keynote so stolz präsentiert wurde, ist quasi nicht mehr vorhanden.

Okay, das sieht blöd aus. Also ohne Cover verwenden? Ist ja schließlich ein Gebrauchsgegenstand und kein Schmuckstück für die Vitrine. Auch ein Standpunkt, den man vertreten kann.

scratchMit der Zeit sammelt das Smartphone dann an exponierten Stellen Kratzer und Dellen, auch ohne Absturz, das Leben in den Hand- und Hosentaschen ist auch so hart genug. Auch in diesem Fall bleibt von der Hochglanz-Anmutung der Keynote am Ende nicht viel übrig. Das ganze Premium-Design ist eigentlich eine Fata Morgana, ein einmaliger Kick für den Besitzerstolz beim Unboxing, wie das Auspacken heute so bedeutungsschwanger genannt wird.

Immerhin haben mit Sony und Samsung zwei führende Hersteller erkannt, dass Wasser und Staubschutz nach IP67 das Alltagsleben leichter macht und nicht nur ein Feature für Outdoor-Handys ist. Mal sehen, ob das Bentgate zum Umdenken in den Designabteilungen führt und Smartphones in ein paar Jahren auch ohne Überzieher längere Zeit einsatzfähig und schick anzusehen bleiben. Ein 5 Zoll Smartphone mit gehärteter Keramik-Oberfläche, fette 11,5 mm dick und einen Rand, der sich minimal um das Display wölbt, das wäre doch mal was.

Bericht enthält Produkt-Platzierung: smarphone_coverTamms Corner empfiehlt Smartphone Cover von Headcase Design.

 

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