Das Recht, nicht gefunden zu werden

Im Mai hatte der Europäische Gerichtshof beschlossen, dass Google den Link auf einen Presseartikel aus seinen Suchergebnissen entfernen müsste, der die Persönlichkeitsrechte des dort namentlich genannten spanischen Arztes verletzen würde. Die Quelle, also der Zeitungsartikel, war nicht von dem Urteil betroffen. Das wäre auch ein Eingriff in die Pressefreiheit, daher in Europa nur schwer gerichtlich anzuordnen.

Wir merken uns: Suchmaschinen müssen einen Verweis auf einen Inhalt entfernen, der Inhalt selber bleibt aber unverändert im Netz.

In der Berichterstattung zu dem Urteil ist diese Feinheit kaum beachtet worden, schnell wurde der der griffige Terminus ‚Recht auf Vergessen‚ geprägt, dabei wäre ‚Recht auf nicht gefunden zu werden‘ sachlich richtig gewesen. Auch die weitere gesellschaftliche und politische Debatte war von wenig Detailliebe geprägt, so schreibt Sigmar Gabriel in der FAZ in einer Gastkolumne:

(…) hat uns schlagartig das unerwartete Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Google vor Augen geführt: Erstmals wird der Internetgigant dazu verpflichtet, sensible Daten zu löschen.

Nun darf man nicht erwarten, dass unsere Volksvertreter Experten in einem technischen Gebiet wie Suchmaschinen sind. Viel spannender ist eigentlich, was jetzt in der Umsetzung des Gerichtsurteils passiert.

Ein Schlaglicht wirft der Fall eines Bildreporters, der die Links auf vier kritische Berichte des BildBlog per Löschantrag hat unterdrücken lassen. Sehr hilfreich ist, das das Bildblog die Nachricht von Google (mit einer großartigen Überschrift) veröffentlicht hat und damit weitere Einblicke in die Umsetzung ermöglicht, wie unter anderem mit diesem Satz:

Nur die Suchergebnisse in europäischen Google-Versionen sind davon betroffen.

Wer also zu seiner Suche eine möglichst unzensierte vollständige Ergebnisliste erhalten möchte, sollte also zukünftig eine Google-Startseite außerhalb der EU befragen. Da man normalerweise auf die .de-Version umgeleitet wird, egal welche Google-Domain man aufgerufen hatte, muss man einen kleinen Trick anwenden und google.com/ncr (no country redirection) eintippen.

Was bleibt als Fazit: Google hat seit dem Beschluss des Europäischen Gerichtshofs in vier Monaten mehr als 120.000 Anträge auf Löschung (Filterung) erhalten. Die Prüfung kostet Geld und Zeit, im Zweifel wird wohl für den Antragsteller entschieden, wie das Beispiel des Bildreporters zeigt – hier hätte man sich auch für das Informationsinteresse der Öffentlichkeit entscheiden können. Da die Quellen, z. B. das Bildblog, nicht angetastet werden, erfasst der Google-Crawler auch weiterhin die Inhalte als relevante Ergebnisse und zeigt sie weltweit, nur nicht auf den Google-Domains für Europa. Ich glaube, das Recht darauf, nicht gefunden zu werden, ist bei weitem nicht der Erfolg, als der es gefeiert wurde.

Und noch eine Fussnote: der Spanier, der ursprünglich gegen Google geklagt hatte, hat das Gegenteil erreicht. Durch die Berichterstattung rund um das Urteil ist sein Name bis in alle Ewigkeit mit den Informationen verbunden, die er eigentlich löschen lassen wollte, eine Zwangsversteigerung im Jahre 1997.

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