Neu bei Amazon: das Fire Phone verkauft sich nicht

Ein Smartphone mit Inhalten von Amazon

Rückschläge gibt es bei Amazon eher selten, normalerweise werden die Dinge, die die Truppe um Jeff Bezos anpackt, ein Erfolg. So war die Hardware der Kindle- und Fire-Produktlinien bisher ein Verkaufsschlager, dagegen soll das im Juni vorgestellten Fire Phone wie Blei in den Regalen liegen.

Amazon selbst veröffentlicht niemals Daten zu den Absatzzahlen der eigenen Produkte, also müssen Marktforscher aus Indizien eine Schätzung ableiten. Der Guardian berichtete Ende August von vermutlich 35.000 verkauften Geräten und nennt die Nachfrage bei AT&T, den größten Mobilfunkanbieter in den USA ‚lauwarm‘. Jetzt berichtet The Verge, dass Amazon in den USA den Preis für das ambitionierte Smartphone in Verbindung mit einem Zweijahresvertrag von 199 US$ auf 99 Cent gesenkt hat. Die Markteinführung in Deutschland in dieser Woche beginnt gleich zum Preis von einem Euro mit einem Vertrag der Telekom.

Die Analystenschätzungen der Absatzzahlen sind natürlich immer mit Vorsicht zu genießen, die Preissenkung ist aber ein harter Fakt, der eindeutig auf schwache Verkaufszahlen hinweist. Das die Preissenkung nahezu zeitgleich zur Verstellung des iPhone 6 passiert, ist natürlich kein Zufall, zeigt aber das ganze Ausmaß des Fehlschlags bei dem Projekt Fire Phone.

Jeff Bezos persönlich hatte im Juni in einem großen Event das Smartphone vorgestellt. Das Format der Veranstaltung und die PR- und Marketing-Maßnahmen rund um die Keynote erinnerten nicht zufällig an Apple. Ebenso war das Fire Phone mit einem Preis von 199 US$ (mit Vertrag) genau so teuer wie das iPhone 5s und das Galaxy 5 in den USA. Amazon wollte aus dem Stand einen Platz unter den Top drei Smartphones der Welt erreichen.

Dafür war das Gerät wohl nicht gut genug, auf jeden Fall passt das Image von Amazon als Hardware-Marke überhaupt nicht zum Sprung in die Premium-Klasse. Die Fire-Tablets sind technisch gut, werden aber so preiswert in den Markt gedrückt, dass Amazon pro verkauftem Gerät Geld drauf zahlt und nur an den Medienkäufen verdient. Die Tablets sind mit einem angepassten Android ausgestattet und fest mit den Medien-Angeboten von Amazon verdrahtet. Es ist nicht möglich, andere Buch-, Musik- oder Filmangebote auf den Geräten zu nutzen. Bisher für Amazon ein gut funktionierendes Geschäftsmodell. Aber eben eines mit subventionierter Hardware und einem Image im Low-Budget-Segment.

Das Fire Phone sollte anders werden, wohl auch, weil ein Smartphone grundsätzlich nicht so oft zum Bücher lesen oder Filme sehen verwendet wird. Dafür wurde ein 3D-Feature namens Dynamic Perspective entwickelt, der Rest der Hardware war aber offensichtich nicht so herausragend. Die Testberichte waren vernichtend, eine schöne Zusammenfassung liefert der Guardian, ein Verriss reiht sich dort an den nächsten. Wie ich schon bei der Vorstellung vermutet hatte, ist der 3D-Effekt im Alltag eher unwichtig, die Batterielaufzeit aber eine Katastrophe, Geoffrey A. Fowler vom Wall Street Journal schreibt, dass der Akku im Testzeitraum nie einen Tag durchgehalten hätte – ein absoluter Showstopper für ein Telefon.

Jetzt befindet man sich bei Amazon in der ungewohnten Lage, die Scherben zusammen fegen zu müssen. Was bleibt ist ein Smartphone, dass mit ‚Dynamic Perspective‘ ein Feature hat, das keiner braucht, dafür aber bei der Nutzung von Apps und Medien eingeschränkt ist und bei dem nicht einmal der Akku für einen Arbeitstag reicht. Das sieht für den externen Beobachter nicht so aus, als wenn man das Projekt noch retten könnte. Ein zweiter Anlauf mit einem neuen Fire Phone 2 würde sicher unter dem Stigma des durchgefallenen Vorgängers leiden. Ein komplett neuer Ansatz mit sehr günstigen Smartphones vergleichbar den Kindle Fire Tablets ist sicher schwierig, weil es schon viele sehr günstige Telefone im Markt gibt, das Android-Ökosystem hat nicht auf Amazon gewartet.

Aber Amazon hat genug Geld und Jeff Bezos ein ausreichend großes Ego, um sich noch einmal etwas Neues einfallen lassen. Ich denke, da kommt noch was.

Hier geht zu meiner Einschätzung des Fire Phone vom 19. Juni

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